AdFraud: Unbeachtetes Milliardengeschäft
Für welches kriminelle Geschäftsmodell würdest du dich entscheiden? Hohes Umsatzpotential, geringe Einstiegshürde, überschaubares Risiko?
Im Jahr 2021 hat die AdFraud-Industrie einen Umsatz von 65 Milliarden US-Dollar erzielt.
Ein „Umsatz“ der sich sehen lassen kann.
Zur Einordnung: Im gleichen Zeitraum machte Coca-Cola einen Umsatz von beinahe 39 Milliarden US-Dollar und Kroatien hatte ein Bruttoinlandsprodukt von 68.9 Milliarden US-Dollar.
Für digitale Werbung ( Mediabudget ) wurde 2021 522.5 Milliarden US-Dollar ausgegeben, das heißt, dass 12 % in die Hände von kriminellen Organisationen oder Staaten fliessen.
Kein schlechtes Geschäft – sind die Risiken im Vergleich zu anderen Verbrechen doch ziemlich gering. Andererseits auch blöd, dass Unternehmen ein Achtel des Budgets dafür verwendet um Betrüger:innen zu bereichern.
Was ist AdFraud und welche Formen werden angewandt?
AdFraud bezeichnet verschiedene Aktivitäten, die fiktive Werbeplatzierungen verkaufen oder Bot-Traffic als echten Traffic verkaufen.
Einige Beispiele:
Ad Stacking: Anzeigenplätze ( Banner-Ads ) werden übereinander gestapelt und sind daher nicht sichtbar.
Click Farms: Scripte oder Menschen klicken ununterbrochen auf Anzeigen.
Geo Masking: Low-Quality-Traffic wird als höherwertige Zielgruppe getarnt und dementsprechend teurer verkauft.
SDK Spoofing: Echt wirkende App-Installationen werden gefaked und verbucht.
Ad Injection: Über oder neben ein Platzierung, die den Werbeplatz bezahlt, wird ein nicht-zahlendes Banner platziert.
Der Kreativität sind hier kaum Grenzen gesetzt.
Good Bots, Bad Bots
Das enorme Ausmaß wird auch anhand des „Bad-Bot-Traffics“ ersichtlich: Weltweit lassen sich 2021 27.7 % des Website Traffics auf schädliche bzw. betrügerische Bots zurückführen. Gute Bots ( Crawler, etc… ) sind für 14.6% verantwortlich – Menschen also nur für 57.7 %.
Beim nächsten Performance Marketing-Reporting sollte also getrost hinterfragt werden, von wie vielen menschlichen Augen, die drei Millionen Banner-Impressionen für 1.500 € gesehen wurden.
Durch die Komplexität des Digital-Advertising-Ökosystems ist es leider sehr schwer nachzuvollziehen, ob die eigenen Anzeigen in den richtigen Platzierung an die gewünschten Personen ausgespielt werden, da Real-Time-Bidding und Programmatic eine Blackbox darstellen.
Der Fall Gannett
Ein Fall, der das ganz gut illustriert: Gannett – ein Publisherunternehmen, das Anzeigenplätze verkauft – hat die Webseite von „USA Today“ in ihrem Angebot, daneben aber noch viele andere regionale Medienseiten und Medienseiten aus anderen Ländern.
Mehr oder weniger per Zufall wurde von Adalytics entdeckt, dass die Platzierungen völlig falsch verkauft wurden und Unternehmen wie Nike, Starbucks, Marriot, Adidas und Kia Werbung auf der Website der libanesischen „Lebanon Daily News“ anstatt „USA Today“ geschalten hatten. Der Fehler ist offenbar neun Monate lang niemandem aufgefallen.
Uber vs Phunware
Mittlerweile gibt es Fälle, in denen Unternehmen erfolgreich gegen Ad-Fraud vorgehen konnten – bislang ist das aber eher die Ausnahme. „Uber“ gewann Anfang 2021 einen Rechtsstreit gegen „Phunware“, die für Uber Werbung geschalten haben, um die Uber App Installationen zu steigern.
Die App Installationen, die Uber in Rechnung gestellt wurden waren Fake, die Ads wurden auf pornografischen Websites angezeigt, Reportings gefälscht. Ein Whistleblower von Phunware machte es möglich, das ganze zu belegen.
Jeder und jede, die sich mit Online-Werbeschaltung auseinandersetzt, Reportings erstellt oder liest, über Platzierungen und Budgets entscheidet, sollte ein Bewusstsein für das Thema AdFraud entwickeln, um Zahlen entsprechend interpretieren und Werbekanäle richtig auswählen zu können.
Bob Hoffman darf hier nicht unerwähnt bleiben, der mit seinem Buch „Adscam“ und Blog „AdContrarian” für Aufmerksamkeit sorgt und sich unermüdlich für ein tracking-freies Internet einsetzt. Große Leseempfehlung!
Vielen Dank fürs Lesen - ich freue mich auf Kommentare, Fragen und Diskussion auf LinkedIn.
Quellen und Leseempfehlungen: